„Diesel-Skandal“: Einzelfallentscheidung des OLG Dresden - Softwareupdate genügt?

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Fahrzeughändler und Hersteller verteidigen sich im sogenannten „Diesel-Skandal“ bekanntlich mit dem Argument, dass jegliche Ansprüche spätestens nach durchgeführtem Softwareupdate erledigt seien. In den letzten Wochen wird diese Behauptung zunehmend auf eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden gestützt, dies jedoch zu Unrecht. Verbraucher tun gut daran, diese pauschale Behauptung zu hinterfragen. Wir erläutern die Hintergründe.

Der Fall

Der Käufer eines Pkw Skoda Octavia II 2.0 TDI hatte vor dem Landgericht Zwickau den Fahrzeughändler auf eine Minderung des Kaufpreises in Anspruch genommen. Nach Anschreiben und den Vorgaben des Kraftfahrtbundesamt war ein Softwareupdate vorgenommen worden. Der Käufer machte geltend, auch nach dem Update sei der Mangel des Fahrzeugs nicht vollständig behoben. Wegen erhöhter Abgaswerte sowie Leistungsverlust sei das Auto weniger marktgängig.

Das Landgericht Zwickau wies die Klage ab. Mit Urteil vom 01.03.2018 (Aktenzeichen 10 U 1561/17) hat das OLG Dresden diese Entscheidung gehalten. Diese Entscheidung ist allerdings von einigen Besonderheiten geprägt, die sich keinesfalls allgemeingültig übertragen lassen. Ferner steht sie im Gegensatz zur Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte.

Die Entscheidung

Das OLG ist zunächst mit dem Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass der Käufer nicht nur das Vorliegen eines Mangels zur Begründung seines Gewährleistungsanspruchs darzulegen und zu beweisen hat. Vielmehr habe der Käufer nach einem Nachbesserungsversuch der Händlers (hier durch Softwareupdate) auch zu beweisen, dass dieser Versuch fehlgeschlagen sei. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Käufer das Fahrzeug nach dem Softwareupdate zunächst entgegengenommen habe. Trotz erteilter Hinweise habe der Kläger im dortigen Verfahren nicht näher dazu vorgetragen. Auch die Behauptung des Klägers, das vom Dieselskandal betroffene Fahrzeug sei schon grundsätzlich weniger marktgängig, sei zu pauschal gewesen. Dieselfahrzeuge würden wegen möglicher Fahrverbote ohnehin einem allgemeinen Preisverfall unterliegen. Dieser bestehe unabhängig davon, ob der Pkw mit einem ursprünglich manipulierten Motor ausgestattet gewesen sei oder nicht.

Da der kaufrechtliche Minderungsanspruch andere Schadensersatzansprüche aus der selben Vermögenseinbuße ausschließt (BGH, Urteil.vom 27.05.2011 - V ZR 122/10), konnte das OLG Dresden andere Aspekte bis hin zur Frage der Zurechnung der bewussten Täuschung für seine Entscheidung außer Betracht lassen. 

Warum nur Einzelfallentscheidung?

Zunächst ist voranzustellen, dass die Entscheidung sich überhaupt nur mit einem Teilaspekt der vielschichtigen Rechtslage auseinandersetzt. Mehr war im konkreten Fall auch nicht erforderlich: Der Käufer hatte nämlich von vornherein ausschließlich Ansprüche wegen Kaufpreisminderung gegen den Fahrzeughändler geltend gemacht. Der Hersteller blieb unbehelligt. Auch andere mögliche Ansprüche abseits einer Kaufpreisminderung sind nicht geltend gemacht worden. Trotz der möglicherweise zurechenbaren Täuschung war der Kaufvertrag auch nicht angefochten, sondern aufrecht erhalten worden.

Das OLG Dresden musste den technischen Sachverhalt rund um die Folgen eines Mangelbeseitigungsversuchs durch Softwareupdate nicht abschließend und entscheidungstragend aufklären. Statt dessen wurde eine nur eine einzelfallbezogene Entscheidung auf Grundlage der Darlegungslast getroffen. Der Käufer hatte aus Sicht des OLG nicht genügend im Prozess vorgetragen, um überhaupt einen Sachverständigen mit der Streitfrage zu befassen. Damit kann aus dem Urteil gerade nicht die Rechtssicherheit abgeleitet werden, die der Entscheidung aus Händler-Sicht zugeschrieben wird.

Das Berufungsgericht in Dresden hat in Anbetracht zahlreicher anderslautenden Entscheidungen ausdrücklich die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, was selten genug geschieht. Die Zulassung ist nach den Entscheidungsgründen bezüglich der (entscheidungstragenden) Frage erfolgt, inwieweit der Käufer seinen Vortrag zum Fahrzeugzustand und zur Mangelhaftigkeit nach einem Softwareupdate substantiieren muss. Da der Käufer auch ansonsten im Kaufrecht nicht den Sachmangel in jeder Einzelheit, sondern nur in seinem Symptom darlegen muss, um Gewährleistungsansprüche zu begründen, ist eine verbrauchergünstigere Rechtsprechung des BGH zu erwarten. Ähnlich haben bereits andere Gerichte entschieden.

Ferner beruht das Urteil des OLG Dresden in den Erwägungen zur Darlegungslast auf der nicht näher ausgeführten Überlegung, dass die Entgegennahme des Fahrzeugs nach einem Softwareupdate freiwillig und in Akzeptanz der Mangelbeseitung erfolgt. Das ist jedoch in der Regel nicht der Fall.

Anderweitige Rechtsprechung, Fazit

Mit dieser Problematik hat sich das OLG Köln in einem sehr ausführlichen Hinweis- und Beweisbeschluss vom 27.03.2018 (Az. 18 U 134/17) auseinandergesetzt. Den Käufer trifft nämlich nur dann die Darlegungs-­ und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Umstände, wenn er eine ihm als Nach­erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05 ­, sowie Urt. v. 11.2.2009 – VIII ZR 274/07).  Das OLG Köln führt überzeugend aus, dass der Verbraucher in der Regel schon mangels Sachkunde die Erfüllungsqualität eines Softwareupdates nicht einschätzen kann. In der bloßen Entgegennahme des Fahrzeugs könne daher auch keine Billigung der Nacherfüllung gesehen werden. Ferner wirkt der Käufer an dem Softwareupdate nur mit, weil ansonsten nach dem Vorgehen des Kraftfahrbundesamts der Widerruf der Typgenehmigung für Fahrzeuge ohne Update droht.

In dem Verfahren vor dem OLG Köln steht nun die Umsetzung eines im Detail angekündigten Beweisbeschlusses an. Hier soll ein umfassendes Sachverständigengutachten eines Professors der RWTH Aachen u.a. klären, welche Auswirkungen die softwarebedingte Änderung an der Motorsteuerung für Fahrzeugleistung, Verbrauch und Haltbarkeit hat.

Betrachtet man eine Vielzahl anderer Verfahren, ist es allerdings auch wahrscheinlich, dass dieser Rechtsstreit durch einen Vergleich auf Initiative der Beklagtenseite beigelegt wird, ehe das Gutachten erstellt werden kann. Denkbar ist anderenfalls, dass hier eine Entscheidung bis über den 31.12.2018 hinaus verschleppt wird, um bis dorthin zumindest noch möglichst viele Ansprüche verjähren zu lassen.

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