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Hartz-4-Sanktionen verfassungswidrig? – Gegen Sanktionsbescheide vorgehen

15. Juni 2015

Gemäß der Regelungen in §§ 31 ff. SGB II darf das Jobcenter ALG II- Regelleistungen bei Pflichtverletzungen zunächst um 30%, bei weiterem Verstoß um 60 % kürzen. Sofern weitere wiederholende Pflichtverstöße angenommen werden, erfolgt die vollständige Leistungseinstellung. In einem am 26. Mai 2015 verkündeten Beschluss ( AZ.: S 15 AS 5157/14) geht das Sozialgericht Gotha davon aus, dass solche Kürzungen des Arbeitslosengeldes II bei Pflichtverstößen gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Verfassungswidrigkeit wird nun vom Bundesverfassungsgericht geprüft.

Das SG Gotha vertritt die Auffassung, dass diese Sanktionen die Menschenwürde des Betroffenen sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit antasten . Die Richter des SG Gotha bezweifeln , dass die Sanktionen mit der in Art. 1 GG geregelten Unantastbarkeit der Menschenwürde und der im Art. 20 GG geregelten Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik vereinbar sind. Aus diesen Artikeln des GG ergibt sich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das bei einer Kürzung oder kompletten Streichung des Arbeitslosengeldes II gefährdet sei.

Außerdem stünden die Sanktionen im Widerspruch zu dem in Art. 2 GG festgeschriebenen Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, weil sie die Gesundheit oder das Leben des Betroffenen gefährden könnten. Weiterhin wird ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG gesehen.

Über die Verfassungsmäßigkeit derartiger Sanktionen haben die Richter des Bundesverfassungsgerichts bisher noch nicht entschieden, jedoch in einem Grundsatzurteil vom 09.02.2010 (zur Höhe der Hartz-IV-Sätze) dem Gesetzgeber einen «Gestaltungsspielraum» bei der Bemessung des Existenzminimums zugestanden.

Leistungsempfänger, gegen die eine Sanktion verhängt wird, sollten daher Rechtsmittel einlegen, um eine Aufhebung des Sanktionsbescheides zu erreichen, falls das Bundesverfassungsgericht dem Vorlagebeschluss des SG Gotha folgt. Für eine anwaltliche Vertretung im vorgerichtlichen Verfahren kann beim Amtsgericht Beratungshilfe und im gerichtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt werden.

[RAin Antje Nußmann, FA für Sozialrecht, 15.06.2015]

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